Wallerfangen (französisch Vaudrevange) ist eine Gemeinde im Landkreis Saarlouis rund 25 km nordwestlich von Saarbrücken unmittelbar an der Grenze zu Frankreich gelegen.
Geographische Lage
Wallerfangen, Blick auf das Limberg-Massiv von Saarfels aus
Wallerfangen, Blick vom Saarpolygon über die Lisdorfer Kapuzineraue (links der Saar) und Roden (rechts der Saar) nach Wallerfangen und die Gauhöhen
Wallerfangen, Saaraltarm in der Engt am Limberg
Wallerfangen, Wallerfanger Bach im Klinikareal
Wallerfangen liegt im mittleren Saartal gegenüber der Mündung der Prims in die Saar. Im Wallerfanger Sonnental entspringt der Lumpenbach, im Wallerfanger Blaulochtal der Wallerfanger Bach. Beide Bäche vereinigen sich im Park des St. Nikolaus-Hospitals. Der im Süden der Gemarkung entspringende Wallerfanger Mühlenbach vereinigt sich mit dem Wallerfanger Bach im Park Villeroy, bevor das Gewässer in den heutigen Saaraltarm mündet.
Die Gemarkung Wallerfangens ist Teil des 17 km langen und neun km ausgeweiteten Saarlouis-Dillinger Saartales. Die Saar nimmt hier die von Nordosten kommende Prims auf, deren Unterlauf mit der Saar ein Talkreuz bildet. Der Primsmündungsbereich bildet hier eine geröllreiche und anmoorige Niederung, auf der die Ortschaften Pachten und Dillingen liegen. Die Gegend wird vom beherrschenden Limberg um 180 m überragt. Mit der scharfen Stufe des Ittersdorfer Gaues rahmt der Berg den sogenannten "Sand" ein, eine lehmbedeckte, sandige agrarisch genutzte Ebene. Sie wird im Süden von der Bisttalweitung abgeschnitten und fällt mit zerschluchtetem Hang zur Niederung der Saar ab. Auf der gegenüberliegenden Seite steigen wesentlich flacher die zerschnittenen Terrassentreppen des sogenannten "Gries" an. Die östliche Begrenzung dieser Terrassentreppen bilden die Schwarzenholzer Höhen, die als Randsaum des Prims-Blies-Hügellandes angesehen werden können. Die Prims hat am rechten Saarufer eine riesige Treppe aus Kiesen und Sanden aufgeschüttet.nWährend der Hauptort Wallerfangen auf einer Flussterrasse links der Saar liegt und damit zum Prims-Blies-Hügelland als Teil des Saar-Nahe-Berglandes gehört, liegen die übrigen Ortsteile allesamt auf dem Gau, dem vom Muschelkalk geprägten (Saargau) bzw. Saar-Nied-Gau, der den Saarländisch-pfälzischen Gäuhochflächen als Teil des Lothringisch-Pfälzischen Stufenlandes zuzuordnen ist. Im Westen grenzt die Gemeinde politisch an Frankreich. Der Ortsteil Leidingen ist politisch zweigeteilt; mitten durch das Dorf verläuft die deutsch-französische Grenze.
Physischgeographische Einordnung
Wallerfangen, Blauloch
Wallerfangen, Blauloch
Wallerfangen, Blauloch
Wallerfangen im mittleren Saartal ist dem Hunsrück-Vorland und damit dem Saar-Nahe-Bergland sowie dem Lothringer Stufenland, dem östlichsten Glied des Pariser Beckens, zuzuordnen. Innerhalb der ostfranzösischen Stufenlandschaft, deren erste Stufe die das Zentrum des Pariser Beckens umgebende Eozän-Kalkstufe ist, verläuft mit dem Limbergmassiv die Stufe 9 des Pariser Beckens, die "Muschelkalkstufe westlich Saarbrücken und Trier" bei Wallerfangen.
Charakteristisch für das Saar-Nahe-Bergland ist ein Gefüge aus Flächen in unterschiedlichen Höhenlagen, die durch größere Täler mit zugehörigen Seitentälern zerschnitten werden. Die Flächen werden zu Teilen von ausgeprägten Stufen voneinander abgegrenzt. Zu Beginn des Tertiärs vor etwa 65 Millionen Jahren bildete das heutige Gebiet eine leicht gewellte Ebene, die sich kaum vom variskischen Rumpf des Rheinischen Schiefergebirges unterschied. Damals lag der Raum nur wenig über Meeresniveau. Anschließend erfolgte in mehreren Phasen seine heutige Heraushebung.
Die Prims, die bei Wallerfangen auf der Pachtener Gemarkung in die Saar mündet, ist der größte Nebenfluss der Saar aus dem devonischen Hunsrückgebiet. In ihrem Unterlauf hat die Prims von Körprich abwärts in den weicheren oberen Kuseler Schichten und dem grobkörnigen Vogesensandstein eine weite Talung geschaffen. Im ausgedehnten Mündungstrichter in die Saar hat sie mächtige Schotter- und Lehmterrassen hinterlassen. Die breiten Talböden, die sich von einer gedachten Linie zwischen Litermont und Steinberg auf beiden Talflanken nach Südwesten hinziehen, sind sowohl gegen die Prims als auch gegen die Saar geneigt. Die Talflanken sind nur im äußersten Mündungsgebiet durch die Erosion der Saar entstanden. Die mächtigen Erosionsmassen aus Geröll, Sand und Lehm wurden durch die Ur-Prims mit ihren Parallelbächen (Lochbach, Rodener Bach, Kondeler Bach, Beckinger Bach bzw. deren Vorgängern) nach Südwesten zur Saar hin bewegt und haben dadurch den Lauf der Saar mitbestimmt.
In der Saarlouiser Talweitung ist das Saartal auf einer Länge von etwa 15 km und in durchschnittlicher Breite von 2 km von großen Schottermassen gefüllt. Bei Fundamentgründungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Brückenbauten des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts in Wallerfangen (1927), Fraulautern (1929), Dillingen (1933) sowie bei Eisenbahnbauten und Flussregulierungen bei Dillingen erreichte man den festen Buntsandstein erst bei einer Tiefe von 6 m. Diese Erosionsmassen können nicht der Saar zugeschrieben werden, da diese hier nur ein Gefälle von 0,36 ‰ aufweist. Ebenso kommen nicht die linken Saarnebenflüsse als Verursacher in Frage.
Die Ursache dieser starken Aufschotterung im Saartal durch die Ur-Prims liegt vermutlich in einer gegen Ende des Tertiär erfolgten stärkeren Hebung der Scholle des Ostflügels an der mittleren Saar. Die Saar glitt auf der rechten, stärker geneigten Scholle nach Westen ab und schuf an der linken, schwächer geneigten Triasplatte steile Prallhänge, wie z. B. die Wallerfanger Saarengt. Die Ur-Prims muss also als ein Fluss mit stärkerem Gefälle, als dies heute der Fall ist, gedacht werden. Im Diluvium übte die wasserreiche Ur-Prims von Osten her einen starken Druck auf den Flusslauf der Saar aus und zwang diese durch Ablagerung von Erosionsmaterial, teilweise nach Westen auszuweichen. So sind am Limberg (358,9 m) und am Hoesberg (325,7 m) links der Saar noch Spuren alter Flussbetten der Saar zu erkennen. Damals floss die Saar im Altdiluvium südlich von Itzbach, bog um den Itzbacher Königsberg (344,7) nach Norden um und floss über Eimersdorf in das heutige Saartal. Westlich von Büren nahm sie die Nied auf.
Die Gerölle der Prims bestehen hauptsächlich aus Gang- und Kluftquarzen, Quarziten, Quarzitschiefern, Kieselschiefern, permischen Kieselhölzern, Sandsteinen, Konglomeraten aus dem Rotliegenden, Porphyren sowie Melaphyren. Der charakteristische Primsschotter ist auch auf den Saarterrassen zu finden. In diluvialer und alluvialer Zeit haben die riesigen Schuttmassen das Flussbett öfter verbaut und die Mündung in die Saar mehrfach verlagert.
Der Wallerfanger Limberg ist eine aus dem Saar-Nied-Gau nach Osten hin vorgeschobene, größtenteils bewaldete, optisch markante Bergformation, die in mehreren breiten, scharfkantig gegliederten Bergspornen um etwa 180 m steil zum Saarlouis-Dillinger Saartal abfällt. Über eine Schwelle ist der Limberg mit dem Ittersdorfer Gau verbunden. Die fast ebene Hochfläche des Berges besteht aus mergeligem Muschelsandstein und erhebt sich bis 359 m. Der Limberg ist durch schluchtartig in den Hauptbuntsandstein eingeschnittene Kastentäler gegliedert. Die sternförmig zerfurchten, steilen Talschlüsse der Kastentäler liegen im Voltziensandstein. Der 326 m hohe Hoesberg ist nahezug vom Limberg abgetrennt und schließt das Siersburger Niedtal gegen das Saartal ab. Von Westen her springt der 345 m hohe Königsberg spornartig vor. Er wird von der Trochitenkalkstufe des Ittersdorfer Gaues um 30 m überragt. Nach Süden hin verkürzen sich die Bersporne und schließen in gleicher Höhe an den Gau an.
Der größte Teil der Bergeinheit ist von geschlossenem Laub-, Misch- und Nadelwald bestanden. Dabei überwiegen Buchen und Eichen. In untergeordneter Weise treten an den Südhängen Birken, Espen, Robinien hinzu. An den Nordhängen wachsen Ahorne, Eschen, Linden. An Nadelhölzbeständen siedeln hier Fichten, Douglasien und Lärchen. Die luftfeuchte Talniederung ist die Basis für farnreiche Wälder aus Ahornen, Linden, Eschen und Buchen. Der Boden besteht hier aus mesotropher, humoser Braunerde auf blockreichem, bewegtem Hangschutt. Dieser Hangschutt ist besonders in den zahlreichen, parallel verlaufenden Erosionsrinnen angereichert. Auf den nur schwach entwickelten Braunerden über dem ehemalige Ackerland der Muschelsandsteinplatte ist artenreicher Perlgras-Buchenwald verbreitet. Ein geringer Teil der Limbergplatte ist von mittelmäßigem Ackerland mit einer Ackerwertzahl von 40 bis 55 und plantagenähnlichen Obsthainen bedeckt. Auf dem südlichen Bergsporn des Hansenberges in St. Barbara werden auf kleinsten, gedüngten und bewässerten Parzellen Erdbeerkulturen betrieben. In unmittelbarer Nähe zu den Industriestandorten des mittleren Saartales gelegen, dienen die Wälder des Limberges der Naherholung und der Luftverbesserung.
Die Gemeinde setzt sich (in alphabetischer Reihenfolge) aus folgenden Einzelorten zusammen: Bedersdorf, Düren, Gisingen, Ihn, Ittersdorf, Kerlingen, Leidingen, Oberlimberg, Rammelfangen, St. Barbara, Wallerfangen.
Reiche Bronzedepots der späten Urnenfelderzeit (9. Jh. v. Chr.), eine mehrfach gestaffelte Abschnittsbefestigung der Hallstattzeit (8.–6. Jh. v. Chr) auf dem sich an der Saar annähernd 359 m hoch erhebenden, halbinselartigen Bergmassiv des Limberges sowie ein Gräberfeld mit einem durch goldene Hals- und Armringe ausgezeichneten „Fürstinnengrab“ der spätesten Hallstattzeit (um 500 v. Chr.) belegen eine Zentrumsfunktion des Wallerfanger Raumes in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Die Funde aus Wallerfangen gehören heute zu den Schätzen der Museen in Saint-Germain-en-Laye (Musée d’Archéologie Nationale), Bonn (Rheinisches Landesmuseum Bonn) und Trier (Rheinisches Landesmuseum Trier).
Die Ausläufer des Bergplateaus nach Nordwesten (Richtung Itzbach), nach Nordosten (Richtung Pachten) sowie nach Südosten (Richtung Wallerfangen) haben annähernd das gleiche Höhenniveau wie die Plateaumitte. Alle Hänge fallen etwa 150 m steil ab und boten so den Menschen der Hallstattzeit Schutz vor Angreifern. Die beherrschende Stellung des Berges wurde zuletzt im Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt, als die US-Armee den Limberg einnahm und von dort im Winter 1944/1945 monatelang Dillingen/Saar mit seinen Industrieanlagen der Dillinger Hütte sowie das Primstal bis zur vollständigen Eroberung im März 1945 sturmreif schoss.
Von der nahezu uneinnehmbaren Lage hat man eine weite Sicht saarauf- und saarabwärts und kann darüber hinaus die Täler der Nied und der Prims gut einsehen. Eine Kontrolle der Saarübergänge war ebenfalls möglich. In römischer Zeit schütze das auf der rechten Saarseite im heutigen Pachten gelegene Kastell Contiomagus den Saarübergang, im Mittelalter versahen die Höhenburg Siersburg und die Wasserburg Dillingen dieselbe Funktion.
Für die Menschen der Hallstattzeit bot sich der Limberg als natürliche Bergfestung darüber hinaus aus dem Grund an, da zu Füßen des Berges sumpfige Wiesen den Zugang zu den Hängen schützten: Den östlichen Zugang zur befestigten Höhe schützte die Saar, den südlichen Hang der Wallerfanger Lumpenbach im Sonnental und im Nordwesten erschwerte der Itzbacher Mühlbach eine schnelle Erstürmung. Das Bergplateau ist auf ebenem Wege nur von der Saargauhöhe aus zugängig. Westlich des heutigen Dorfes Oberlimberg befindet sich eine relativ schmale Zugangsstelle von etwa 150 m, die durch die Anlage eines Grabens, des sogenannten "Landgrabens" oder "Marlboroughwalls", geschützt wurde. Die Bezeichnung Marlboroughwall bezieht sich auf John Churchill, Duke of Marlborough, der hier in der Saar-Mosel-Gegend im Spanischen Erbfolgekrieg als Oberbefehlshaber der englischen Truppen im für England wenige erfolgreichen Feldzug von 1705 seinem Gegenspieler Claude-Louis-Hector de Villars, dem General-Marschall von Frankreich, gegenübergetreten war. Mitte Juni 1705 musste sich Marlborough mit dem Rest seiner Truppen kampflos zurückziehen. Damit war der Plan einer englischen Invasion Frankreichs an Mosel und Saar gescheitert, woran das französische Lied "Marlbrough s'en va-t-en guerre" bis heute erinnert.
Die Wälle auf dem Südostausläufer des Limberges, die sogenannten "Schwedenschanzen" sollen im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Truppen genutzt worden sein. Diese "Schwedenschanzen" sind als Kernwerk der hallstattzeitlichen Plateaubefestigung anzusehen. Der Teil des Limbergplateaus zwischen Landgraben/Marlboroughwall und den Schwedenschanzen wurde vermutlich als "Vorburg" genutzt. Die Hauptwallanlage verläuft etwa in Nord-Süd-Richtung und hat eine Länge von ca. 230 m von Steinhang zu Steilhang. Der heutige Weg zum Hof Limberg und seiner Wallfahrtskapelle durchschneidet die Wallanlage und teilt sie in eine nördliche Hälfte von ca. 90 m und eine südliche von ca. 140 m. Der große Hauptwall ist an seinem Fuß 15 m breit und hat heute noch eine Höhe von 3 m. Ursprünglich war er als Holz-Erd-Mauer errichtet worden. Der davor liegende Graben ist etwa 2 m tief und ca. 20 m breit. Der ursprüngliche Durchgang war vermutlich am Südende des Walles, wo heute der "Grüne Weg" am Südwesthang des Limberges zum Hof Limberg führt. Der Zugangsweg verläuft 6 bis 8 m unterhalb der Plateauhöhe, sodass die Angreifer von oben her von den Verteidigern angegangen werden konnten. Das südliche Ende des großen Walles war bei der Toranlage zur Festung rechtwinklig nach innen hin abgebogen. Von diesem Wallknie aus führte ein Wallansatz hinab zum 8 m unterhalb des Plateaus gelegenen Festungstor hinab. Nach der Passierung dieses Tores lag nach etwa 160 m eine weitere Sperre. Ein zweiter Wall, etwa 300 m hinter dem Hauptwall in Richtung Hof Limberg erschwert zusätzlich den Zugang zur Bergzunge hoch über der Saar. Die heutige Wallkrone ist stellenweise 2,5 m höher gelegen als die davorliegende Grabensohle.
Etwa 30 m südöstlich des zweiten Walles befindet sich eine jüngere, scheinbar unvollendet gebliebene Wallanlage vielleicht des 18. Jahrhunderts in der Form eines offenen Trapezes. Der steile Wall, der noch stellenweise eine Höhe von 2 m aufweist, zieht sich vom Nordosthang des Limberges bis zum heutigen Waldweg, wo er in südöstlicher Richtung umbiegt, um auf einer Länge von 32 m am Waldweg entlangzuführen. Anschließend verläuft er im stumpfen Winkel etwa 20 m nach Osten. Innerhalb dieser Separatanlage befindet sich der sogenannte "Grüne See", ein Teich von annähernd 20 m Länge und ca. 8 m Breite. Das Wasserbassin könnte als Zisterne im Belagerungsfall genutzt worden sein.
Etwa 100 m vor dem Hauptwall überquert ein 12 m breiter Graben ohne dazugehörigen Wall vor einer niedrigen Geländestufe den Bergrücken. Vielleicht lag hier eine Palisade am Rande der Geländestufe. Ebenso scheint der Nordostausläufer des Limberges, der durch eine Geländestufe vom übrigen Plateau unterschieden ist, durch eine weitere Palisade geschützt worden zu sein.
Die hallstattzeitliche Plateaufestung hat eine Gesamtfläche von 2,5 km2.
Auf dem dem Limberg benachbarten Itzbacher Königsberg (344,7 m) begannen im Jahr 2010 Untersuchungen einer vorgeschichtlichen Höhenbefestigung durch das Landesdenkmalamt des Saarlandes. Die dort vorhandenen Wallanlagen bargen gut erhaltene Reste einer Trockenmauer aus großen Bruch-Sandsteinen ohne Holzversteifung. Die freigelegten Mauern weisen eine Breite von 1,80 m und eine noch erhaltene Höhe von 1,40 m auf. An der Rückseite der Mauern ist eine 6,40 m breite Rampe aus Erde und Steinbrocken aufgeschüttet, über die man im Verteidigungsfall von der Innenseite her die Mauerkrone erreichen konnte. An der Vorderseite der Mauer ist ein breiter Sohlgraben in den Fels gehauen. Keramikscherben deuten auf die späte Bronzezeit oder die Eisenzeit hin. Die Grabungen und deren Auswertungen werden weitergeführt.
In keltischer Zeit befand sich das heutige Wallerfanger Ortsgebiet im Einflussbereich der Stämme der Treverer und Mediomatriker. In römischer Zeit wurde mit der Gründung des Vicus Contiomagus der Zentralort von der linken auf die rechte Saarseite verlegt. Der Vicus entstand während der Besiedlungsphase nach der Eroberung Galliens durch Gaius Iulius Caesar von 58 bis 51 v. Chr. Contiomagus lag an der Kreuzung der Fernstraßen Metz-Mainz und Trier-Straßburg, im heutigen Dillinger Stadtteil Pachten, in direkter Grenzlage zur heutigen Wallerfanger Gemarkung. In den Jahren 275/276 wurde Contiomagus im Zuge der Völkerwanderung zerstört und wieder aufgebaut. Wallerfangen selbst blieb auf der linken Saarseite als Industriestandort bedeutend. An den Hängen des Limberges sowie im Ortsteil St. Barbara ist römischer Bergbau hinsichtlich der Kupfermineralien Azurit und Malachit im Emilianus-Stollen am Hansenberg aus dem 2.–3. Jahrhundert n. Chr. nachgewiesen. Das Kupfererz trat in fein verteilter Form oder in kleinen, walnussgroßen Nestern im Buntsandstein unterhalb einer Tonschicht auf. Das Kupfer färbt den Oberen Buntsandstein leicht bläulich, sodass der spätere Volksmund mehreren Wallerfanger Gewannen einen diesbezüglich speziellen Namen gab: Blaufels, Blauwald und Blauloch. Das Kupfer trat in zwei Arten auf: einer blauen Kupferlasur bzw. Azurit (2CuCO3•Cu(OH)2) und einem grünlichen Malachit (CuCO3•Cu(OH)2). Diese Kupferverbindungen gelangten durch zirkulierendes Wasser, das entlang einer tektonischen Verwerfung, der Felsbergverwerfung, aufstieg, in den bestehenden Buntsandstein.
Das Produkt aus Azurit, die azurblaue Farbe, fand an vielen Orten in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches Verwendung. Die Kupferoxyde wurden vor allem in der benachbarten gallo-römischen Siedlung Contiomagus auf der anderen Saarseite ausgeschmolzen.
Neben dem Mundloch des Stollens am Hansenberg aus dem 2./3. Jahrhundert hat sich eine lateinische Inschrift erhalten, mit der ein gewisser Emilianus den Besitz an seinem Bergwerk und einen fristgerechten Abbaubeginn anzeigte: "INCEPTA OFFICINA EMILIANI NONIS MART" (dt. Übersetzung: Emilianus hat den Betrieb an den Nonen des März begonnen.). Es ist die einzige erhaltene derartige lateinische Inschrift nördlich der Alpen. Die Inschrift wurde erstmals im Jahr 1859 bei einer Ausgrabung durch den Metzer Ingenieur Jacquot beschrieben. Der Stollen, den Emilianus damals graben ließ, ist der einzige heute für Besucher zugängliche römische Bergwerksstollen in Deutschland. Der saarländische Landeskonservator und Leiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken Reinhard Schindler begann im Jahr 1964 mit der Freilegung des überschwemmten und zugeschlämmten Stollens. Ein weiterreichender Bereich des Stollens wurde unter Zuhilfenahme von Spezialisten des Deutschen Bergbau-Museums Bochum ab dem Jahr 1966 freigelegt und gesichert. Ab 1992 wurden weitere Bereiche des Stollensystems in einer 9 m tieferen Sohle durch das Deutsche Bergbaumuseum freigelegt und mit einem verzinkten Stahlausbau gesichert.
→ Hauptartikel: Wallerfanger Blau
Wallerfangen, Stollen Bruss
Mit der Völkerwanderung endete für lange Zeit der Abbau von Azurit in Wallerfangen. Erst im ausgehenden Mittelalter begann wieder eine Förderung des "Azzuro della Magna" bzw. "Azzuro del Almagna" (Deutsches Blau), das bis nach Italien gehandelt wurde. Die Förderung und der Handel mit Azurit blühte vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Aussagen aus dem Werk "Fröhliche Heimfahrt" des frühneuzeitlichen Dichters Caspar Scheidt aus dem Jahr 1553 lassen vermuten, dass auch der Nürnberger Renaissance-Künstler Albrecht Dürer mit "Wallerfanger Blau" malte. Die erste Erwähnung des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Abbaues von Azurit datiert in das Jahr 1492, als der herzoglich-lothringische Einnehmer Hans von Pfaffenhofen den Abbau in einer Abrechnung verzeichnete. Im Jahr 1515 besaßen 15 Unternehmer Abbaurechte am Hansenberg, am Limberg, im Blauwald sowie bei der Humburg, der vermutlichen Festungsanlage der hochmittelalterlichen Wallerfanger Grafen.
Im 18. Jahrhundert gelang es dem herzoglich-lothringischen Generalunternehmer Jean Jacques Saur, die Konzession für den gesamten Bergbau im Herzogtum Lothringen zu erhalten. Im Jahr 1746 wurde ihm die Konzession auch für den Abbau der Kupfermineralien in Wallerfangen bestätigt. Doch nun sollte das Erz der Kupfer- und nicht mehr der Farbproduktion dienen. Aufgrund des geringen Ertrages musste das Unternehmen nach wenigen Jahren aufgegeben werden. Eine Wiederaufnahme des Abbaues erfolgt im Jahr 1793, als man mit Sprengarbeiten am Limberg begann, doch auch hier wurden die Arbeiten nach kurzer Zeit wegen geringer Aussichten auf Rendite wieder eingestellt.
Einen neuen Versuch zur Gewinnung von Kupfer startete im Jahr 1855 Bergbauinspektor Daub mit der Gründung der "Gewerkschaft Paul’s Hoffnung". Die Unternehmung basierte auf dem Versuch, die bisher unberücksichtigt gebliebenen kupferhaltigen Gesteine in den bisherigen Stollen im Nahtenkeller, im Blauwaldstollen und im Stollen Bruss sowie im neu abgeteuften Stollen in der Sonnenkuppe am Limberg durch chemische Auslaugung nutzbar zu machen. Hierbei wurde das Gestein mit Salzsäure behandelt. Im Sonnental errichtete man dazu im Jahr 1864 eine Läuterei, in der die geförderten Gesteine in einem Dampfwalzwerk zermahlen und in Bottichen mit Salzsäure ausgelaugt wurden. Unter Hinzugabe von Eisenblechabfällen der nahegelegenen Dillinger Hütte wurde das Kupfer in der Flüssigkeit ausgefällt, sodass ein Zement-Kupfer-Schlamm entstand. Diesen Schlamm transportierte man per Schiff nach Linz am Rhein, wo er weiterverarbeitet wurde. Infolge der hohen Transportkosten und der gestiegenen Herstellungskosten für Salzsäure, musste die Unternehmung bereits im Jahr 1866 wieder eingestellt werden. Die Läutereigebäude im Sonnental (Nähe des heutigen Hauses Sonnental, kurz bevor der Weg nach Oberlimberg abzweigt) wurden um 1932 abgebrochen.
Fränkische Eroberung
Wallerfangen, Ersterwähnungsurkunde des Ortes "uualderuinga" aus dem Jahr 962, Universitätsbibliothek Heidelberg, Nr. 321
Wallerfangen, Rekonstruktion der mittelalterlichen Stadtanlage vom Saarufer aus; rechts der Lumpenbach; links der Mühlenbach (Heimatmuseum Wallerfangen)
Wallerfangen auf der Lothringenkarte von Martin Waldseemüller (1513)
Nach dem Untergang des Weströmischen Reiches im Jahr 476 und der Schlacht bei Soissons im Jahre 486 (oder 487), die der salfränkische Herrscher Chlodwig I. für sich entscheiden konnte, begann eine neue Etappe der Region unter der Herrschaft des Frankenreiches. Fränkische Gräber der jüngeren Merowingerzeit (frühes 7. Jh. n. Chr.) im Ortsteil Rammelfangen belegen den Beginn germanischer Besiedlung im frühen Mittelalter.
Teil Lotharingiens
Mit dem Vertrag von Verdun vom 10. August 843 wurde das Gebiet der heutigen Gemeinde Wallerfangen als Teil des fränkischen Mittelreiches Kaiser Lothar I., einem Enkel Karls des Großen, als unmittelbarer königlicher Herrschaftsbereich (Lotharii Regnum) zugeteilt. Nachfolger Lothars I. als König (jedoch ohne die Kaiserwürde) wurde dessen Sohn Lothar II.; er gab dem Großterritorium die Bezeichnung „Lotharingien“ („das Reich Lothars“). Nachdem König Heinrich I. die Zentralgewalt im Ostfrankenreich wiederhergestellt hatte, unterwarf sich ihm im Jahr 925 auch der lothringische Herzog Giselbert. Heinrich gliederte das Herzogtum Lothringen als fünftes Stammesherzogtum in das Ostfrankenreich ein. Somit kam im Jahr 925 auch das heutige Ortsgebiet mit dem lothringischen Herrschaftsterritorium endgültig an das ostfränkische Reich.
Teil Oberlothringens
Mit dem Zerfall des alten Herzogtum in die Herzogtümer Oberlothringen und Niederlothringen kam das heutige Ortsgebiet Wallerfangens zu Oberlothringen (Bestand als Herzogtum bis 1766) und war Teil des herzoglichen Hausbesitzes. Die urkundliche Überlieferung setzt im 10. Jh. n. Chr. ein. Die erste urkundliche Nennung Wallerfangens datiert in das Jahr 962. Der Name Wallerfangen trat hier als "uualdervinga" erstmals in Erscheinung. In der Urkunde aus dem Jahre 962 bezeichnet er eine Grafschaft, als deren Graf Egilolf genannt wird. Ein in der Grafschaft gelegener Besitz eines Mannes Namens Thido wird der Reichsabtei St. Maximin in Trier zur Förderung von dessen Seelenheil übergeben.
„Im Namen der höchsten und ewigen Gottheit. Da ja die unbeschreibliche Güte unseres Herrn und Retters verspricht, dass durch Almosen die Sünden gereinigt werden, indem er im Evangelium spricht, gebt Almosen und alles ist für euch rein, deshalb übergebe ich, Thiedo, um die Teilnahme an diesem sicheren und heilbringenden Versprechen zu verdienen, zu meinem Seelenheil und zu dem meines Vaters Humbertus, aber auch für den Erwerb meiner Pfründe, ein gewisses Gut meines Erbes, Dalaheim genannt, das im Rizzigau in der Grafschaft Walderfinga, dem der Graf Egilolf vorzustehen scheint, liegt.
Ich habe also jenen Ort Dalaheim gegeben und will, dass er für immer gegeben ist, mit der Kirche und was zu dem vorgenannten Gut gehört, sowohl an Hörigen, die innerhalb als auch außerhalb wohnen, als auch an Gebäuden, bebautem und unbebautem Land, Wiesen, Weiden, Wäldern, Wasser und fließenden Gewässern, beweglichen und unbeweglichen Gütern, Wegen und unwegsamen Gebieten, an Ausgängen und Eingängen, an Forderungen und zu Erwerbendem.
Und ich gebe es soweit ohne Widerspruch irgendeines Mönches an dem Ort, wo der heilige Maximin selbst ruht durch Gott. Weiter sollen jene Diener jenes nach Erbrecht halten und zu ihrem Nutzen besitzen. Auch soll die Hofgenossenschaft selbst bei den Diensten und Abgaben bleiben, wie es von meinen Eltern und von mir gehalten worden ist.
Wenn aber irgendeiner meiner Verwandten oder sonst jemand versuchen sollte, das Almosen meiner Schenkung zu vernichten, dann soll die Frömmigkeit aller Ehrlichen ihm Widerstand leisten, und wenn er nicht ablässt, wird er am Tag der furchtbaren Prüfung als Vernichter eines Almosens vor Gott Rechenschaft ablegen.
Geschehen aber ist diese Übertragung öffentlich in Trier in der Basilika des heiligen Maximin, des Bekenners Christi und Bischofs, im Beisein des ehrwürdigen Abtes dieses Klosters, Wiker, und aller Mönche und zugleich des Vogtes des Hauses, Hildrad, durch die Bürgen, die wir volkstümlich Saleburgiones nennen, Wolmar und Harduwich, vor den unterzeichneten Zeugen Wolmar, Adalbert, Liuthard, Warner, Theodo, Thurinbert, im Jahr der Menschwerdung des Herrn 962, in der fünften Indiktion, im 26. Herrschaftsjahr des durchlauchtigsten König Otto.“
Wallerfangen besaß als Grafensitz der Grafschaft Wallerfangen (962 comitatus Walderfinga) zentralörtliche Funktion. Ende des 10. Jahrhunderts wird ein Graf Giselbert von Wallerfangen genannt.
Thietmar von Merseburg, Bischof und Geschichtsschreiber der Ottonenzeit, beschreibt in seiner Chronik das Schicksal des Giselbert (Ausschnitt aus der Dresdener Handschrift der Chronik Thietmars, Faksimile im Heimatmuseum Wallerfangen mit farblicher Hervorhebung der entsprechenden Textpassage)
Bereits unter Giselberts Vater Siegfried von Luxemburg hatten Bestrebungen begonnen, den eigenen Herrschaftsbereich in Richtung der oberen Mosel und der mittleren Saar zu expandieren. Der Machtbereich der Luxemburger konnte dabei saaraufwärts bis nach Wallerfangen ausgedehnt werden. Die Herrschaft Wallerfangen wurde mit Siegfrieds Sohn Giselbert besetzt. Die Grafschaftsbezeichnung lautete "in pago Moselensi, in comitatu Waldelevinga, cui Giselbertus comes preesse videtur" (dt.: "im Moselgau, in der Grafschaft Wallerfangen, der Graf Giselbert als Graf vorsteht").
Wallerfangen war keine Gaugrafschaft, sondern ein persönliches Herrschaftsgebilde ohne festgelegte Grenzen. Der Ort an der Saar war dabei ein Hauptstützpunkt der Machtausbreitung. Die Grafschaft Wallerfangen wird in den Urkunden in Beziehung zu drei Gauen zugeordnet: zum Rizzagau, zum Saargau und zum Moselgau. Die Grafschaft Wallerfangen deckte sich aber mit keinem dieser drei Gaue. Giselberts Grafschaft Wallerfangen wird nur im 10. Jahrhundert genannt. Unmittelbare Zeugnisse über Giselberts politisches Handeln sind rar.
Giselberts jüngere Schwester Kunigunde von Luxemburg hatte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre des 10. Jahrhunderts Herzog Heinrich von Bayern geheiratet, der am 7. Juni 1002 in Mainz zum deutschen König gewählt und durch Erzbischof Willigis im Mainzer Dom gekrönt wurde. Als Heinrich im Frühjahr 1004 zu einem Italienzug aufbrach, begleitete ihn auch sein Schwager Giselbert von Wallerfangen. Bei einem Aufstand in Pavia gegen den König wurde Giselbert von Wallerfangen verletzt und von Helfern aus dem Kampfgetümmel weggetragen. Er erlag seinen schweren Verletzungen vier Tage später am 18. Mai 1004.
Das Grafenhaus Luxemburg hat das Wallerfanger Gebiet nicht halten können und wurde durch das Haus Lothringen hier verdrängt. Wallerfangen wurde im Lauf seiner Geschichte schließlich Amtssitz des deutschen Bellistums des Herzogtums Lothringen. Es darf vermutet werden, dass der frühe und erbenlose Tod Giselberts für diese Entwicklung mitverantwortlich ist.
Eine ehemalige Turmburg auf dem Gebiet des heutigen Wallerfanger Ortsteils Düren aus dem 10. Jahrhundert, die sogenannte Humburg, wird von Historikern als die Burg Gisilberts angesehen. Auf einem Bergsporn bei Wallerfangen hatte im Jahr 1965 der saarländische Landeskonservator Reinhard Schindler die Fundamente eines mächtigen mittelalterlichen Steinturmes ausgegraben. Sporn und Turm waren durch einen Abschnittswall mit einem zugehörigen Graben abgeriegelt. Die etwa zwei Meter starken Mauern bilden ein unregelmäßiges Rechteck von 13/14,50 m auf 17/19 m. Sie weisen an den Turmecken sorgfältig behauene Sandsteinquader auf. Die archäologischen Befunde lassen auf den Burgtyp "Wohnturm" schließen. Im Inneren fanden sich verrußte Säulenreste und romanische Architekturteile wie Säulenschäfte, Kapitelle und Rundbögen. Die Säulen, eine trägt eine römische Inschrift, sind römischen Ursprungs, die beim Bau des Gebäudes wiederverwendet wurden. Die Form der gefundenen Kapitelle deutet auf eine Fertigung im 11. Jahrhundert hin. Ein älterer Vorgängerbau ist nicht auszuschließen. Die Historiker Edith Ennen (1953) und Horst Wolfgang Böhme (1992) halten es für denkbar, dass Graf Giselbert hier seinen Sitz hatte. Die Aufgabe der Humburg fällt in die Zeit, als Graf Giselbert im Jahr 1004 ohne Nachkommen stirbt und ab der es keine weiteren schriftlichen Belege für die Grafschaft Wallerfangen mehr gibt.
Wallerfangen/Vaudrevange; Plan von Wallerfangen aus dem Jahre 1679, sog. Plan von Monville; Das Gebäudegeviert am linken unteren Rand der Stadtmauer bezeichnet das Augustinerkloster (heute Standort der neogotischen Pfarrkirche St. Katharina); Die ursprüngliche Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul befindet sich in der Nähe des Saartores (Weg nach Diedenhofen); das linke Fließgewässer ist der Lumpenbach/Wallerfanger Bach, das rechte der Mühlenbach, die beide in die nahegelegene Saar münden; rechts das Neutor (Weg nach Saarbrücken); unten die Oberste Pforte (Weg nach Nancy); ganz rechts unten die Aufstauung des Mühlenbaches
Entwicklung des Ortsnamens
Der im Jahr 962 erstmals "uualdervinga" benannte Ort veränderte im Lauf der Zeit seinen Namen zu Walderfingen. Nachdem Wallerfangen im Jahr 1541 zu einem Hauptsitz der drei Verwaltungsbezirke des Herzogtums Lothringen avancierte (Deutsches Bellistum; französisch: Bailliage d'Allemagne), französisierte man im Schriftverkehr mit den beiden anderen herzoglich-lothringischen Verwaltungssitzen, der Bailliage de Nancy mit Sitz in Nancy und der Bailliage de Vôge mit Sitz in Mirecourt, den Ortsnamen zu "Valdrefanges", "Valdrevange" oder "Vaudrevange". Die heute gebräuchliche deutsche Schreibweise "Wallerfangen" entwickelte sich aus der umgangssprachlichen deutschen Aussprache des damals offiziellen französischen Ortsnamens "Vaudrevange". In der Zeit nach dem Wiener Kongress, als Wallerfangen in den Herrschaftsbereich des Königreiches Preußen gelangte, wurde diese Schreibweise auch amtlich festgelegt.
Stadtwerdung
Wallerfangen, Areal der ehemaligen Stadtmauer unterhalb des ehemaligen Augustinerklosters
Der genaue Zeitpunkt der Stadtwerdung Wallerfangens ist nicht belegt. Im Jahr 1276 wird Wallerfangen in einer Urkunde noch als Ort bezeichnet. Die erste Bezeichnung als Stadt datiert aus dem Jahr 1334. Zu dieser Zeit muss also ein Ausbau der Siedlung mit Mauern, Toren und Türmen bestanden haben. Der Verlauf der Befestigungsanlagen ist bisher nicht umfassend untersucht. An verschiedenen Stellen wurden im 20. Jahrhundert Reste der Stadtmauer bei Ausgrabungen freigelegt. Vermutlich waren die Mauern bis ca. 1,50 m dick und ihnen war ein ca. 7,50 m breiter Festungsgraben vorgelagert. Erhalten haben sich Nachzeichnungen eines Stadtplanes, der vermutlich im Rahmen eines Gutachtens über die Qualifikation Wallerfangens als barocke Festung angefertigt wurde.
Die kleine mittelalterliche Stadt lag an wichtigen Handelswegen und verfügte über einen Saarhafen. Der lothringische Herzog Friedrich III. verlieh Wallerfangen einen Freiheitsbrief zur Förderung von Handel und Gewerbe. So konnten die Bürger der jungen Stadt eine unabhängige Verwaltung aufbauen, die Verteidigung der Stadt organisieren sowie eine niedere Gerichtsbarkeit institutionalisieren. Im Bezug zu Handel und Gewerbe bildeten sich nun Zünfte und Gilden.
Im ausgehenden Mittelalter besaß Wallerfangen nun Stadtrecht und war unter dem Namen „Walderfingen“ Amtssitz des Deutschen Bellistums, einer Verwaltungsuntergliederung des Herzogtums Lothringen. Daneben wurde der französische Name Vaudrevange gebraucht. Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts bis in die frühe Neuzeit war Wallerfangen ("Walderfang", "Walderfingen") eine mit Mauern umwehrte herzoglich-lothringische Provinzhauptstadt. Ihr Einflussbereich, der deutschsprachige Teil des Herzogtums Lothringen mit Namen "Baillage d’Allemagne", erstreckte sich im frühen 17. Jahrhundert bis weit in das heutige Frankreich hinein. Wallerfangen war eine Stadt der "Blaugräber", deren Produkt, die blaue Farbe Azurit, gefördert aus senkrechten Schächten und unter Nutzung der überkommenen römischen Stollen, in ganz Europa verkauft wurde. Albrecht Dürer soll mit "Wallerfanger Blau" gemalt haben.
Zwischen 1618 und 1648 gab es in Wallerfangen und seiner Umgebung schwere Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg, vor allem in der letzten Kriegsphase ab 1635. Durch die Parteinahme des lothringischen Herzogs Karl IV. auf der Seite des deutschen Kaisers Ferdinand II. besetzte Frankreichs König Ludwig XIII. Lothringen. 1624/1625 kam es an der Saar zu ersten großen militärischen Einquartierungen, also schon Jahre vor dem offiziellen Kriegseintritt Frankreichs im Jahr 1635.
Ende September 1635 trafen im Gebiet von Wallerfangen die vor dem kaiserlichen Heer flüchtenden Franzosen unter La Valette, Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne und Abraham de Fabert und die mit ihnen verbündeten Schweden unter Bernhard von Sachsen-Weimar ein, um über eine Fassbrücke und zwei Furten die Saar zu überqueren und in die damals befestigte Stadt Wallerfangen zu fliehen. Den Saarübergang befehligte der französische Marschall Turenne. Dabei kam es zu Gefechten und die kaiserlichen Truppen konnten dem Gegner Verluste zufügen. Unter anderen kam der schwedische Oberst Bernholf von Crailsheim zu Tode.
Kurze Zeit später gelang auch den Kaiserlichen unter Matthias Gallas der Saarübergang bei Dillingen. Nach mehreren Gefechten und fünf Sturmangriffen konnte Wallerfangen eingenommen werden und wurde von kroatischen Söldnern geplündert. Dazu gesellten sich Hungersnöte und Seuchen. Den überlebenden Bevölkerungsresten blieb kaum noch eine Existenzgrundlage.
Der Abt Philipp Gretsch der Abtei Wadgassen berichtet auf einer Kirchenrechnung aus dem Jahr 1652, dass es in der Gegend wegen der großen Hungersnot sogar zu Kannibalismus gekommen sei. Das Gebiet um Wallerfangen verlor durch den Krieg über 70 % seiner Bevölkerung (Vergleichsjahre: 1590 / 1667). Während in anderen Teilen Deutschlands der Dreißigjährige Krieg mit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück 1648 zu Ende ging, schwelte der Konflikt in Lothringen weiter. Wallerfangen, als Teil Lothringens, lag nicht im Geltungsbereich der Bestimmungen des Westfälischen Friedens. Es kam weiterhin zu Überfällen durch marodierende Söldnerheere der Lothringer oder Franzosen. Erst mit dem Frieden von Vincennes bei Paris im Jahr 1661 endete der Krieg zwischen Frankreich und Lothringen.
Wenige Jahre nach dem Friedensschluss von Vincennes 1661 wurde die Umgebung von Wallerfangen wieder Operationsgebiet des Holländischen Krieges (1672–1678/79). Im Jahr 1670 hatte der französische König Ludwig XIV. ganz Lothringen besetzt. Dabei vertrieb ein französisches Heer unter dem Marschall François de Créquy (1624–1687) den lothringischen Herzog Karl IV. (1604–1675) und eroberte innerhalb kurzer Zeit dessen Festungen. In Folge des Krieges, in den auch Kurtrier und das Heilige Römische Reich hineingezogen wurden, kam es zu schweren Verwüstungen in der Umgebung.
Nach der Gründung der Stadt Saarlouis (1680) wurden die Einwohner von Wallerfangen 1687/88 zwangsweise in die neue Stadt umgesiedelt. Im Zuge dessen wurden auch die meisten Gebäude in Wallerfangen abgetragen, um Baumaterial für die Häuser in Saarlouis zu gewinnen. Wallerfangen entwickelte sich zu einer aus wenigen Einzelgehöften bestehenden Siedlung zurück.
Zu den wenigen Gebäuden, die den Abriss der Häuser überdauerten, muss auch die alte Markthalle Wallerfangens gehört haben. Das Bauwerk diente noch bis zum Abriss der Keramikfabrik in den 1930er Jahren als Packlager und war kreuzgratgewölbt.
Nach der Demolierung Wallerfangens verlegte der lothringische Herzog Leopold im Jahr 1698 den Sitz des Bellistums saaraufwärts nach Saargemünd.
Angliederung an das Königreich Preußen
Nachdem Napoleon Bonaparte zur Abdankung gezwungen worden war, wurde mit dem Bourbonen Ludwig XVIII. der erste Pariser Frieden am 31. Mai 1814 geschlossen, laut dessen Bestimmungen Frankreich auf die Staatsgrenzen von 1792 beschränkt wurde. Das deutschsprachige Wallerfangen sollten demnach bei Frankreich verbleiben.
Nach der Rückkehr Napoleons und dessen endgültiger Niederlage bei Waterloo am 18. Juni 1815 sowie seiner Verbannung auf die Insel St. Helena wurden im Zweiten Pariser Frieden Wallerfangen von Frankreich abgetrennt und an das Königreich Preußen (Rheinprovinz) übergeben.
Dabei hatten mehrere Bittschriften von Kaufleuten aus Saarbrücken und St. Johann und eine Unterschriftenaktion unter Federführung des Saarbrücker Bürgermeisters Heinrich Böcking, die den Anschluss der Saarorte an das Königreich Preußen zum Ziel hatten, einen nicht unerheblichen Anteil.
Österreich sah unter Kaiser Franz I. eine Ausdehnung Preußens lieber im westlichen Deutschland als an einem anderen Ort. Mit einem Territorialgewinn Preußens im Westen wollte man eine Ausdehnung Preußens auf das Königreich Sachsen verhindern. Gegen die wieder installierte Herrschaft der Bourbonen in Frankreich wollte Österreich keine gegnerische Position beziehen, da man auf ein gutes Verhältnis mit der traditionsreichen Dynastie hoffte und unnötige Belastungen scheute.
So kam es mit preußischem Einverständnis bereits am 3. November 1815 während der bezüglich des Friedensvertrages in Paris zu einer Vereinbarung zwischen England, Preußen, Russland und Österreich, wonach zusätzliche Territorien in den Rheinlanden an Preußen fallen sollten. Die Grenzkorrektur zu Ungunsten Frankreichs sollte an der Saar stattfinden. Am 20. November 1815 schlossen die Alliierten mit Frankreich in Paris den zweiten Friedensvertrag, der die preußisch-französische Grenze im Bereich des Mittellaufes der Saar festlegte. Damit musste der französische König Ludwig XVIII. für das Stadtgebiet des heutigen Wallerfangen allen Hoheits- und Eigentumsansprüchen entsagen.
Während eines Aufenthaltes in Saarbrücken erteilte der Staatskanzler Karl August von Hardenberg am 27. November 1815 dem in preußischen Diensten stehenden Oberappellationsrat Mathias Simon, der bisher in Trier als Richter fungiert hatte, die Vollmacht, das neue Gebiet unter dem Titel "Großherzogtum Niederrhein" für Preußen in Besitz zu nehmen. Wallerfangen wurde von Simon zusammen mit dem Umland der Festung Saarlouis am 2. Dezember 1815 im Rahmen einer Feier in der Saarlouiser Kirche St. Ludwig in Besitz des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. genommen:
„Ich Endes Unterschriebener, Königlich-Preußischer Oberappelations-Rath im Grosherzogthum Niederrhein, Kraft vorstehender Vollmacht, Königlich Preußischer Kommissarius, zur Besitz-Ergreifung der von Frankreich an Preußen abgetretenen Gebiete, Oerter und Plätze, und bis zur definitiven Organisation mit der Oberverwaltung dieser Gebiete, Oerter und Plätze, beauftraget.
Nachdem heute den 2 Dezember, Morgens sieben Uhr, die Feyerlichkeiten der Besitznahme, durch das Läuten der Glocken verkündet worden, habe (ich) mich um 10 Uhr, in die Hauptkirche begeben, woselbst der Herr Oberbürgermeister der Stadt Saarlouis, nebst seinen Beigeordneten, und alle Glieder des Magistrats, sodann alle übrigen öffentlichen Beamten, sich versammelt hatten.
Des Herrn Königlich Preußischen General-Majors von Steinmetz, kommandierenden Generals, in den durch den Friedenstraktat vom 20 November abgetretenen Gebieten, Oertern und Plätzen, Hochwohlgebornen, waren ebenfalls, nebst ihrem Generalstabe, gegenwärtig.
Das in Saarlouis anwesende Königlich Preußische Militär, war unter Gewehr getreten, und der feierliche Aufzug von der Bürgerwache und ihrer Musik begleitet.
Ich Unterschriebener Königlicher-Kommissarius, im Einverständnis mit des Herrn General-Majors von Steinmetz, Hochwohlgebornen, verlas die vorstehende Vollmacht des Herrn Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg Durchlaucht, und theilte der Versammlung meine Sendung mit.
Sofort wurden der Herr Oberbürgermeister und sämtliche Mitglieder des Magistrats, in eigenem Namen und als Stellvertreter der Einwohner, dem neuen Landesherrn Sr. Majestät dem König Friedrich Wilhelm von Preußen und seinen Nachfolgern, verpflichtet.
Ein eigener schriftlicher Akt wurde in dieser Hinsicht aufgesetzt, und von allen Magistratsmitgliedern unterzeichnet.
Die ganze Versammlung ertönte ein dreimaliges Lebe-Hoch dem neuen Landesherrn.
Ich habe demnach, in meiner Eigenschaft als Königlicher Kommissarius, und in Hinsicht der Besitznahme der Festung Saarlouis im Einverständniß mit dem Herrn General-Major von Steinmetz und dessen Gegenwart, erklärt, daß die reelle Besitznahme der Stadt und Festung Saarlouis, und aller übrigen Oerter der Kantone von Saarlouis und Rehlingen, und Sirck des Moseldepartements, welche durch den Friedens-Traktat vom 20 November, von Frankreich abgetreten, und nach der, zwischen Preußen und den übrigen verbündeten Mächten getroffenen besondern Uebereinkunft, den Staaten Sr. Majestät des Königs von Preußen, meines allergnädigsten Herrn, einverleibt sind, im Namen Seiner Majestät des Königs von Preußen, vollbracht seye; verordnet, daß das königl. Preußische Wappen an allen Rath- und Gemeinde-Häusern aufgestellt werde; und die Einwohner der Stadt und Festung Saarlouis, und der übrigen abgetretenen Gebiete, Oerter und Plätze, zur Unterthanen Treue und Pflicht, gegen den neuen Landesherrn, verwiesen.
Ein Te Deum von der katholischen Geistlichkeit gesungen, und das Gebät Salvum fac regem für die Erhaltung Seiner Majestät des Königs von Preußen, des neuen Landesherrn, beschloß diese feyerliche Handlung.
Gegenwärtige Besitz-Ergreifungs Protokoll soll gedruckt, und statt des Besitz-Ergreifungs Patents, in der Stadt und Festung Saarlouis, und in allen abgetretenen Gemeinden, Oertern und Plätzen angeschlagen werden.
So geschehen Preußisch-Saarlouis, den 2 Dezember 1815. Der Königliche Kommissarius Mathias Simon“
In Wallerfangen wurde bis in die 1860er Jahre ein natürlich vorkommendes Azuritmineral, das Wallerfanger Blau unter Tage gewonnen, welches in der Antike und im Mittelalter ein gefragter Pigmentträger für Kunstgewerbe und Malerei war. Mit wachsender Verfügbarkeit lichtechter synthetischer Farbstoffe – wie etwa das Berliner Blau – wurde die mühsame Gewinnung im Zeitalter der Industrialisierung rasch unrentabel und daher aufgegeben.
Steingutfabrik
Im Jahr 1791 entstand in Wallerfangen eine von Nicolas Villeroy gegründete Steingutfabrik, die sich später zu den Keramischen Werken von Villeroy und Boch entwickelte. Die Fabrik verschaffte dem Ort einen neuen Aufschwung. Nicolas Villeroy führte das Unternehmen aus kleinen Anfängen in die nach dem Zweiten Pariser Frieden mit dem Jahre 1815 beginnende preußische Zeit hinein, als aus Vaudrevange "Wallerfangen", eine Gemeinde an der neuen Grenze zu Frankreich, wurde.
Anfangs konnte Villeroy im kleinen Wallerfangen nicht genügend Produktionsmitarbeiter finden, weshalb er die ersten Arbeiter aus der bereits bestehenden Steingutfabrik in Frauenberg bei Saargemünd mitbrachte. Die Frauenberger Arbeiter hatte man bei dessen Gründung mehrheitlich aus den Keramikmanufakturen Attert, Arlon und Septfontaines, Bubenhausen, Zweibrücken, Höchst, Kelsterbach, Gutenbrunn und Dirmstein rekrutiert.
Die technische Leitung legte man in Wallerfangen zunächst in die Hände eines versierten Mitarbeiters aus Frauenberg, Jakob Heckel. Heckel war vorher in der Höchster Porzellanmanufaktur beschäftigt gewesen, die im Jahr 1796 in Konkurs gegangen war. Intensive Forschungen wurden in Wallerfangen auf dem Gebiet des Dekordruckes unternommen.
Das Faiencerie-Unternehmen in Frauenberg war bereits im Jahr 1785 durch Jean Thibault mit der Genehmigung des Comtes de Vergennes gegründet worden. Die Produktionsräume lagen im ehemaligen Frauenberger Schloss, das der Graf von Vergennes mitsamt der zugehörigen Herrschaft erworben hatte. Bereits wenige Jahre später, im August 1789, kaufte sich der aus Metz stammende Nicolas Villeroy als Teilhaber mit einem Anteil von 10 % in Frauenberg ein.
Sehr schnell begann Villeroy, die Geschäftsabläufe des jungen Unternehmens in die Hand zu nehmen, denn schon kurz nach seinem Eintritt stellte er Überlegungen an, die Firma nach Straßburg, in das Schloss Clouange bei Wallingen in der Nähe von Diedenhofen, nach Saarlouis oder auf das Firmengelände der ehemaligen Papiermühle bei Dillingen/Saar zu verlegen. Hintergrund der Suche nach einem neuen Produktionsstandort war, dass sich das Frauenberger Schloss bereits seit einem Brand im Jahr 1783 in einem desolaten Zustand befand. Nicolas Villeroy hatte seine kaufmännische Ausbildung in der Verwaltung des Weingutes und des Handelsunternehmens Richard Böcking in Traben-Trarbach an der Mosel gemacht, wo er im Jahr 1786 die Tochter von Richard Böcking, Therese-Sophie Böcking heiratete. Thibault und Villeroy hatten bereits im lothringischen Salinenhandel Geschäftskontakte gepflegt, in dem Thibault seit 1770, Villeroy seit 1784 tätig gewesen waren. Schließlich entschied man sich für Wallerfangen als neuen Firmenstandort. Hier kaufte Nicolas Villeroy im Jahr 1790 von Theodor Lasalle ein Haus mit Garten, doch die Übersiedelung des jungen Unternehmens erfolgte erst im Sommer des Folgejahres 1791. Villeroy hatte seinen Unternehmensanteil in der Zwischenzeit auf 50 % gesteigert. Der Gründer Jean Thibault besaß noch 25 %, ebenso ein weiterer Teilhaber, der Trierer Kaufmann Heinrich (Henry) Kaiser. Als zusätzliche Immobilie wurde sehr bald das sogenannte "Chateau Warsberg" im Ortszentrum von Wallerfangen erworben. Das Gebäude wurde zur Urzelle des später über fünfzig Gebäudeteile umfassenden Fabrikkomplexes. In Wallerfangen war man erstmals Besitzer und nicht bloß Pächter der Produktionsgebäude wie vormals in Frauenberg.
Die Entscheidung für Wallerfangen als Produktionsstandort wurde deshalb gefällt, da man die Saar als Transportweg nutzen konnte. Die Wälder der Umgebung boten genügend Holz als Brennmaterial. Darüber hinaus bot sich der Ort an, da die nahegelegenen Steinkohlengruben des aufblühenden Saarreviers effizienten Brennstoff für die Keramiköfen liefern konnten. Bereits im Jahr 1780 erwarb Villeroy eine Förderkonzession für die Hostenbacher Grube, die im Jahr 1798 bei einer Versteigerung erworben werden konnte und anschließend von seinem Bruder Pierre Villeroy verwaltet wurde. So betrieb man um das Jahr 1800 in Wallerfangen bereits zwei Kohlenöfen, die den Rohbrand besorgten.
Nicolas Villeroy gelang es im Jahr 1797, die Anteile der übrigen Teilhaber Jean Thibault und Henry Kaiser aufzukaufen, sodass er nach Abzahlung des Kaufpreises im Jahr 1801 als alleiniger Besitzer der Wallerfanger Fabrik auftrat.
Um 1815 begann man in Wallerfangen spezielle Fachleute für die Keramikproduktion zu engagieren, die damals noch überwiegend aus England kamen. Die ersten britischen Gastarbeiter – einige davon aus der Porzellanstadt Stoke-on-Trent – warb man in einem Kriegsgefangenenlager im Nachbarort Saarlouis an. Noch Jahre später war der englische Einfluss in Wallerfangen erheblich. Nicolas Villeroy reiste in den darauf folgenden Jahren oft nach England, um sich mit den dortigen Produktionsverfahren vertraut zu machen. Die englischen Arbeiter waren besonders im Kupferdruckatelier der Firma tätig, das im Jahr 1825 eingerichtet wurde.
Im Jahr 1836 verband Nicolas Villeroy sein Unternehmen mit demjenigen von Jean-François Boch zu dem späteren Weltunternehmen Villeroy & Boch.[51] Durch die Zusammenarbeit bei der Lieferung von Rohstoffen war man im Jahr 1818 erstmals mit der im Jahr 1809 in der säkularisierten Benediktiner-Abtei St. Peter in Mettlach gegründeten Keramikmanufaktur Boch-Buschmann geschäftlich in Kontakt gekommen. Die Geschäftsbeziehungen wurden fortan intensiviert, sodass es am 14. April 1836 in der Fremersdorfer Saarmühle vertraglich zur Fusion der Unternehmen in Wallerfangen und Mettlach kam. Damit war das Unternehmen Villeroy & Boch aus der Taufe gehoben. Hintergrund der Fusion war die Hoffnung, so besser gegen die englischen Keramikimporte auf den europäischen Kontinent gewappnet zu sein.
Mit der Heirat von Octavie Villeroy (1823- 1899), der Enkelin von Nicolas Villeroy, Tochter von Charles Villeroy (1789–1843) sowie Schwester des von 1842 bis 1875 in Wallerfangen amtierenden Firmenchefs Alfred Villeroy, mit Eugen Boch, dem Sohn von Jean-François Boch, am 3. Mai 1842 in Fremersdorf wurden die bisher nur geschäftlichen Beziehungen beider Familien nun auch auf eine private Ebene gehoben.
.Im Folgejahr verstarb der Wallerfanger Firmengründer Nicolas Villeroy am 28. Dezember 1843.
Einen Höhepunkt der Entwicklung des Wallerfanger Unternehmens feierte man am 4. Juli 1891: Die annähernd 1000 Beschäftigten der Steingutfabrik begingen auf einem Festplatz am Standort des heutigen Bildungshauses "Haus Sonnental" das 100-jährige Bestehen des Unternehmens mit Festzug, feierlichem Gottesdienst, Konzert, Tanz und abschließendem Feuerwerk. Zum Festessen waren 1400 Personen geladen. Jeder Mitarbeiter erhielt als Erinnerungsgeschenk einen in Mettlach hergestellten Steinzeugkrug. Höhere Angestellte und Beamte des Unternehmens bekamen zusätzlich eine Deckelmontierung aus Zinn. Jubiläumsprodukt des Wallerfanger Unternehmens war eine Terrine mit Unterplatte.
Einer der bedeutendsten Wallerfanger Dekorentwickler war der Kupferstecher Philipp Müller (1811–1893), der auch als Illustrator und Karikaturist tätig war. Müllers Vater war bereits im Jahr 1805 als Dekormaler nach Wallerfangen gekommen und hatte sich dort im Jahr 1836 verheiratet. Im Jahr 1825 begann Philipp Müller in der Keramikfabrik eine Lehre als Kupferstecher. Zu seinen bekanntesten Motivserien gehören bis heute die "Burgenland-Motive".
Im Laufe des 19. Jahrhunderts dehnten sich die Gebäude der Keramikfabrik auf dem gesamte, heute "Fabrikplatz" genannten Zentrum der Gemeinde Wallerfangen aus. Ende des 19. Jahrhunderts waren in dem Werk über 1000 Männer und Frauen beschäftigt. Das von ihnen hergestellte Geschirr aus Steingut und Porzellan wurden in alle Welt verkauft. Nach 1860 bestand die Produktion vorwiegend aus Geschirr für den Haushaltsbedarf und Stapelware, die an andere Unternehmen zum Weiterverkauf abgegeben wurde. Seit 1900 begann man vermehrt, kostengünstige Spritzdekore herzustellen. Leiter der Steingutfabrik waren:[53]
Leiter der Steingutfabrik waren:
Als Direktionsvilla erbaute man in den Jahren 1834-1835 in der Wallerfanger Hauptstraße gegenüber den Wirtschaftsgebäuden des heutigen Papenschen Anwesens ein dreigeschossiges Gebäude für Auguste Jaunez, der von 1830 bis 1842 Direktor der Keramikfabrik war. Auch die Nachfolger von Jaunez wohnten hier. Als die Fabrik geschlossen werden musste, kaufte im Jahr 1931 die Familie von Papen das Haus. Im Jahr 1939 logierte hier der Standortälteste der Saarlouiser Garnison. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Villa zeitweise als Sitz der französischen Gendarmerie, bevor sie deutsche Polizeiinspektion wurde. Im Jahr 1986 eröffnete im Gebäude ein Hotel-Restaurant unter dem Namen "Villa Fayence".
Die dreigeschossige Villa auf quadratischem Grundriss erhebt sich über einem hohen Sockelgeschoss mit profiliertem Gesims. Die Gestaltung erinnert in der architektonischen Kubatur und in Einzelformen an italienische Päläste der Renaissance des 16. Jahrhunderts. Die Fenster im Erdgeschoss sind mit einfach profilierten Gewänden gerahmt. Die Eingangstür ist mit einem geraden Gesims verdacht. Ein mittleres Fenster ist dreieckig verdacht. Die Fenster im ersten Obergeschoss sind durch ein Sohlbankgesims verbunden und weisen eine gerade Profilgesimsverdachung auf. Das zweite Obergeschoss ist als Mezzanin ausgeführt. Die Fenster weisen hier wie im Erdgeschoss schlicht profilierte Gewände auf. Über dem Gebäude erhebt sich ein relativ niedriges Walmdach mediterraner Prägung.
Erholungsheim
An der Ecke Hauptstraße/Saarstraße erbaute die Steingutfabrik im Jahr 1880 ein Casino unter dem Titel "Erholungsheim für die Angestellten und Beamten der Steingutfabrik Villeroy & Boch". Eine Vorgängereinrichtung hatte bis dahin in der alten Mühle am Mühlenweg bestanden. Für die einfachen Arbeiter existierte ein Erholungsheim in der Nähe des Wallerfanger Amalienplatzes. Der Vorplatz des Angestellten- und Beamten-Casinos, der heute als Parkplatz genutzt wird, war ursprünglich ein Abstellplatz für Pferdefuhrwerke. Der Eingang des Casinos befand sich in der Hauptstraße. Durch einen zweigeschossigen Verbindungsbau gelangte man in einen großen Tanzsaalbau mit Stichbogenfenstern an der Giebelfassade, der nach einer Nutzung als Kino und Textilgeschäft seit 1978 als Apotheke genutzt wird.
Firma Mouget-Lukullus
Aus der in der Wallerfanger Hauptstraße betriebenen Gastwirtschaft "Vaudrevange" mit angeschlossener Metzgerei entwickelte sich ab dem Jahr 1863 unter Führung des ehemaligen Steingutfabrikarbeiters Karl Mouget ein größerer fleischverarbeitender Betrieb in Wallerfangen. Der Betrieb expandierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Belieferung von Kasernen und Krankenhäusern. Durch den Einsatz moderner Maschinen wurden Fleischkonserven sowie Fleisch- und Wurstwaren im großen Stil produziert. Im Jahr 1989 zog sich die Familie Mouget aus der Produktion zurück. Nach zwei Eigentümerwechseln wurde die Produktion der "Lukullus Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG" im Jahr 2008 schließlich eingestellt.
NKS-Demmerle
Das Unternehmen wurde im Jahr 1870 in Wallerfangen durch den Baumeister Peter Demmerle gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg ergänzte man das Bauunternehmen um ein Architekturbüro. Die Firma war jetzt besonders im Straßenbau tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte man den gewachsenen Betrieb um die Sparte Personen- und Warenbeförderung, die jedoch im Jahr 1960 wieder eingestellt wurde. Im Jahr 1958 begann man mit der Produktion von Steinen auf dem Gelände der Abraumhalde der Wallerfanger Steingutfabrik, auf der Kesselasche und Keramikabfälle gelagert worden waren. Auf der Grundlage dieses Abraummaterials wurden Hohlblocksteine für den Hausbau hergestellt. Im Jahr 1964 begann man, Betonwaren und Betonfertigteile speziell für den Gartenbau und den Außenbereich herzustellen. Darüber hinaus wurden die für die 60er Jahre typischen Betonfassadenelemente, die man bei der Fassadengestaltung von Kaufhäusern einsetzte, hier produziert. Seit 1986 spezialisierte sich das Unternehmen auf den Vertrieb von Betontechnologieprodukten. Es werden fertige Betonformen aus Polyurethanen oder Silikonen für Unternehmen angeboten sowie im Rahmen der Rekonstruktion historischer Bauteile in Beton Abnahme von Originalen vor Ort hergestellt und Repliken gefertigt. Darüber hinaus liefert das Unternehmen Produktionseinrichtungen für Fertigungsstrecken.
Nicolas Adolphe de Galhau
Kommunalpolitisch wurde Wallerfangen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidend von einem Enkel von Nicolas Villeroy, Nicolas Adolphe de Galhau, geprägt. Im Jahr 1862 übernahm Galhau das elterliche Gut in Wallerfangen und baute es in den folgenden Jahren aus. Die alten Gebäude wurden abgerissen und ein kleines Landschloss errichtet, das in einen Park im englischen Stil lag (heute Schloss von Papen). Galhau war von 1851 bis zu seinem Tode im Jahre 1889 Bürgermeister von Wallerfangen. In diese Zeit kümmerte er sich insbesondere um die infrastrukturelle Gestaltung des Ortes. So ließ er auf einem familieneigenen Gelände, heute die nach ihm benannte Adolpheshöhe, ein Rathaus und drei Schulgebäude errichten. Galhau unterstützte den Bau einer Wasserleitung in Wallerfangen, initiierte den Neubau der Wallerfanger Katharinenkirche, eines Arbeitererholungsheimes sowie des örtlichen Schlachthauses. In den Jahren 1861 bis 1863 war Galhau Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Nicolas-Adolphe de Galhau hinterließ in Wallerfangen auch als Großgrundbesitzer, maßgeblicher Anteilseigner von Villeroy & Boch, Schlossherr, Mäzen und Gründer einer Stiftung bis heute Spuren. So gründete er am 7. Juni 1857 die Sophienstiftung als soziale "Stiftung allgemeinen Beistandes", die er nach seiner Mutter Sophie Villeroy († 1856) benannte. Zunächst beschäftigte sich die Stiftung mit der Waisenfürsorge und der Krankenpflege. Bereits im Jahr 1838 war in Wallerfangen ein Armenverein zur Förderung der sozialen Wohlfahrt gegründet worden. Gräfin Marie Guilleminot (verwitwete Louis Villeroy, geb. Ebray, 1794-1879) stellte dem Verein im Jahr 1841 das ehemalige Schulhaus zur Verfügung. Drei Jahre später, im Jahr 1844, errichtete man eine Kinderbewahranstalt mit finanziellen Mitteln der Erben von Nicolas Villeroy (1759-1843). Zwei Häuser und zwei Gärten dienten gleichzeitig als Asyl für Alte und Hilfsbedürftige der Gemeinde Wallerfangen. Der im Jahr 1844 eröffnete Kindergarten war bis zum Jahr 1974, als die Einrichtung in kirchliche Trägerschaft überging, im Besitz der Sophienstiftung.
Zur Pflege der Alten und zur Betreuung der Kinder kamen am 20. März 1948 drei Schwestern vom Orden des heiligen Karl Borromäus vom Mutterhaus in Nancy nach Wallerfangen. Der Armenverein, der im Jahr 1848 bereits seit zehn Jahren bestand, hatte die Generaloberin in Nancy um Entsendung der drei Schwestern gebeten, damit diese die Kinderbewahranstalt, die Pflege der Alten und Kranken sowie die Verwaltung der Einrichtung übernehmen sollten. Seit der Gründung des Borromäerinnen-Mutterhauses in Trier werden die Ordensschwestern des im Jahr 1652 gegründeten Ordens von dort entsandt, um in Wallerfangen zu leben und der Stiftung zu dienen.
Am 11. November 1849 erhielt man die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke und einer eigenen Dispensieranstalt zur Verteilung von Arzneimitteln. Im Folgejahr 1850 wurde eine Nähschule eröffnet. Nicolas-Adolphe de Galhau vergrößerte das Haus im Jahr 1853. Im Jahr 1860 schenkte Barbe-Céphalie Thierry (geb. de Lasalle, 1799-1870) der Stiftung das Grundstück "Hallergarten". Hier wurde im Jahr 1888 das Wallerfanger Arbeitervereinshaus errichtet. Nach dem Tod von Madame Thierry im Jahr 1870 vermachte sie ihr Schloss in Niederlimberg an der Saarengt mit Kapelle und Inventar sowie 50.000 Francs dem Hospital. Auf ihren Wunsch hin sollte das Haus von Schwestern des heiligen Karl Borromäus aus dem Mutterhaus in Trier betreut werden. Daraufhin kaufte die Familie Villeroy de Galhau das Niederlimberger Schloss auf. Geplant war für die Zukunft, den Schwestern das sogenannte "Schwarze Schloss" neben der heutigen Wallerfanger Pfarrkirche St. Katharina zu überlassen. Die Niederlimberger Schlosskapelle wurde abgebaut, per Schiff nach Mettlach transportiert und dort wieder errichtet.[61]
Am 30. September 1871 beurkundete Nicolas-Adolphe de Galhau notariell die endgültige Stiftungsurkunde und stattete die Stiftung mit einem Kapital von 60.000 Talern aus. Die Stiftung sollte den Gemeinden Wallerfangen, Niederlimberg und St. Barbara zugutekommen. Am 19. Februar 1872 wurde die Stiftung durch allerhöchste Kabinettsordre des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm I. genehmigt.[62]
In die Stiftung wurde am 2. März 1878 der bereits seit 1838 bestehende Wallerfanger Armenverein integriert. Dessen Vermögen bestand aus Immobilien (Armenhaus, Schulgebäude, Ökonomiegebäude, mehrere Wohnhäuser), Mobilien und ausstehenden Forderungen in einem Wert von insgesamt etwa 194.000 Mark.
Mit dem Tod der Gräfin Marie Guilleminot am 6. April 1879 wurde das sogenannte "Schwarze Schloss" frei. Allerdings fiel es nicht wie angedacht an die Stiftung, sondern wurde langfristig an die Familie Fabvier vermietet. Als Ersatz versprach Nicolas-Adolphe de Galhau, ein neues Armenhaus für Wallerfangen zu errichten.
Mit dem Jahr 1881 übernahmen die Borromäerinnen die nahrungsmäßige Verpflegung der Arbeiter der Wallerfanger Steingutfabrik mit der Ausgabe von täglich 250 Essen. Diese Aufgabe versahen die Schwestern bis zum Jahr 1894.
Die behelfsmäßigen Unterkünfte der Anfangsjahre wurden durch das heute noch bestehende Krankenhausgebäude obsolet. Das St.-Nikolaus-Hospital in Wallerfangen mit einer Kapazität von 80 Betten wurde zwischen den Jahren 1882 und 1885 im Park der Gräfin Guilleminot erbaut. Zweck der »Stiftung allgemeinen Beistandes« sollte – lange Zeit vor Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung – die Unterstützung hilfsbedürftige alter und kranker Menschen sein, aber auch Kindern sollte Fürsorge zuteil werden. Als Dank für die langjährige Pflege seiner Kranken Ehefrau Sophie-Léonie-Elisabeth de Galhau (geb. Villeroy), die am 15. Juli 1885 starb, stiftete Nicolas-Adolphe de Galhau den Borromäerinnen Mark. In der Folgezeit erweiterte man die Sozialeinrichtung räumlich. Darüber hinaus legte man zur Rekonvaleszenz der Patienten eine mehrere Hektar großen Parkanlage in der Nähe der Wallerfanger Pfarrkirche St. Katharina an. Das Hospital ist ein großer zweigeschossiger, satteldachgedeckter Bau auf T-förmigem Grundriss mit angeschlossener Hospitalkapelle im Flügel rechts des Eingangsportals. Die Fassade des Krankenhausgebäudes ist durch Lisenen gegliedert und hat einfache gerahmte, hochrechteckteckige Fenster und einen übergiebelten Eingangsrisalit.
Zu den ständigen Mitgliedern des Kuratoriums der Stiftung gehört neben dem Wallerfanger Pfarrer und dem Bürgermeister von Wallerfangen immer auch ein Mitglied der Familie Villeroy. In der Zeit des antikatholischen Bismarckschen Kulturkampfes war die katholische Einrichtung in Wallerfangen stark eingeschränkt. Die Kinderbewahranstalt und die Nähschule mussten geschlossen werden. Nur kranke Kinder und Alte durften weiter betreut werden. Erst mit dem Ende des Kulturkampfes wurden die Beschränkungen und Verbote wieder aufgehoben.
Am 4. Oktober 1882 vermachte Nicolas-Adolphe de Galhau der Stiftung das auf seine Kosten errichtete neue Bürgermeistereigebäude auf der Adolfshöhe mit den zum Ensemble gehörigen drei Schulgebäuden. Ebenso wurde ein Schlachthaus mit angegliedertem Stall gebaut. Die Gebäude wurden von der Gemeinde Wallerfangen gemietet. Der Mietzins fiel vertraglich der Sophien-Stiftung zu.
Im Jahr 1888 wurde im "Hallergarten", der sich seit dem Jahr 1860 im Besitz der Stiftung befand, das Wallerfanger Arbeitervereinshaus errichtet. Nicolas-Adolphe de Galhau stattete es mit 10.000 Mark aus. Für den Fall, dass das Haus nicht mehr seiner ursprünglichen Bestimmung dienen würde, sollte das Grundstück mitsamt der Immobilie wieder an das St. Nikolaus-Hospital fallen.[63]
Am 23. November 1889 starb Nicolas-Adolphe de Galhau. Mit dem Tod von Alfred Villeroy im Jahr 1896 ging eine Summe von 30.000 Mark als Vermächtnis an das Hospital, sodass eine Haushaltsschule gegründet werden konnte. Zwei Jahr später, im Jahr 1898 versah man das Hospital mit einer Zentralheizung und baute für die Verstorbenen eine Leichenhalle. Eine Kochschule konnte im Jahr 1904 eröffnet werden. Im Folgejahr 1905 wurde das Gebäude an der Pfarrkirche abgerissen und der freigewordene Platz der Gemeinde zur Verfügung gestellt.
Nachdem in Wallerfangen eine eigenen Apotheke eingerichtet worden war, wurde die Hospitalapotheke im Jahr 1909 geschlossen.
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges pflegte man im Hospital insgesamt 3944 Soldaten.
Im Jahr 1935 wurde das sogenannte "Schwarze Schloss" als Kinderheim eingerichtet. Im selben Jahr errichtete Dechant Hartz (1867-1938) ein Wohnhaus im Hospitalsgarten. Mit seinem Tod im Jahr 1938 fiel das Anwesen an die Stiftung. Mit der Rückgliederung des Saargebietes an das Deutsche Reich im Jahr 1935 übernahm die NSDAP die Macht in Wallerfangen. Unter dem Druck der Partei mussten am 4. Oktober alle unbeweglichen Vermögensstücke der Stiftung unentgeltlich an die Zivilgemeinde Wallerfangen übertragen werden. Nur das Krankenhaus, das "Schwarze Schloss", das Haus Hartz und das Arbeitervereinshaus blieben der Stiftung erhalten. Am 13. Januar trat die neue "Verfassung der Adolf von Galhau’schen Sophien-Stiftung zu Wallerfangen" in Kraft. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Wallerfangen wie alle Orte der "Roten Zone" von 1939 bis 1940 evakuiert.
Bei einem Fliegerangriff auf Saarlouis (1936 bis 1945 Saarlautern) wurde das "Schwarze Schloss" getroffen und brannte im oberen Teil aus. Mit dem Anrücken der Alliierten im Jahr 1944 kam es zur zweiten Evakuierung. Der Ort erlitt im Vorfeld seiner Einnahme durch die US-Armee am 3. Dezember 1944 schwerste Kriegsschäden. Die Schäden an den Stiftungsgebäuden konnten im Rahmen eines Aus- und Umbaues bis zum Mai 1950 behoben werden. Im Jahr 1953 wurde der Kindergarten wieder eröffnet. Im Obergeschoss des Kindergartens wurde im Jahr 1955 ein Erweiterungsbau des Altenheimes eingerichtet.
Am 7. Juni 1957 feierte die am 7. Juni 1857 gegründete "Stiftung allgemeinen Beistandes" ihr einhundertjähriges Bestehen. Das Krankenhaus, die Küche sowie der Operationsbereich wurden in den Jahren 1958 bis 1961 einer Renovierung unterzogen. In die gleiche Zeit fällt die Modernisierung des Kinderheimes im "Schwarzen Schloss". Es bot nun Platz für 20 Mädchen und 20 Jungen.
In den Jahren 1967 bis 1970 errichtete man ein neues Altersheim. Am 20. Februar 1971 feierte man die einhundertste Wiederkehr der Genehmigung der Sophienstiftung durch den preußischen König und deutschen Kaiser Wilhelm I. Bei der Erstellung des Krankenhausbedarfsplans des Saarlandes im Jahr 1971 wurde das Nikolaushospital nicht berücksichtigt. Am 20. März 1973 feierte man die das 125. Jubiläum des Einzuges der Borromäerinnen in Wallerfangen im Jahr 1848. Der Kindergarten, der in die Trägerschaft der Pfarrgemeinde St. Katharina übergegangen war, konnte seinen Neubau am 2. Dezember 1974 beziehen. Im Jahr 1983 feierte man das einhundertjährige Bestehen des Hospitalgebäudes.
Vor dem Bundessozialgericht in Kassel und dem saarländischen Landessozialgericht kam es im Jahr 1991 zu einem Vergleich zwischen der Regierung des Saarlandes und den Kostenträgern. Neue Fachabteilungen sollten den Fortbestand des Krankenhauses sichern. Deshalb wurden die Psychiatrie und die geriatrische Rehabilitation eingerichtet.[64] Das Kinderheim im "Schwarzen Schloss" wurde bis Februar 1992 abermals renoviert. Am 31. März 1992 schloss das Belegarztkrankenhaus.
Damit einher ging ein Umbau und eine grundlegende Sanierung des Krankenhausgebäudes. Das Nikolaushospital wurde zur Fachklinik für geriatrische Rehabilitation mit 60 vollstationären Betten und zehn Tagesklinikplätzen ausgebaut. Darüber hinaus werden 20 Belegarztbetten in den Fachrichtungen Innere Medizin und Orthopädie vorgehalten. Die Inbetriebnahme konnte am 4. Oktober 1993, die Eröffnung der geriatrischen Fachklinik erfolgen am 10. Dezember 1993. Bereits im Juli 1992 waren die Borromäerinnen in die neue Klausur im ehemaligen Altenheim einzogen. Am 8. März 1995 begannen die Gründungsarbeiten zum Bau der Psychiatrischen Fachklinik. Die Verwaltung konnte im Jahr 1996 in die neu renovierten Räume des ehemaligen Kindergartens und des Altenheimes einziehen. Am 5. Mai 1997 erfolge die erste Aufnahme aus dem psychiatrischen Landeskrankenhaus Merzig, da dieses Haus bis zum Jahr 1998 im Rahmen eines Dezentralisierungsplanes vollständig aufgelöst werden sollte. Die feierliche Einweihung der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie beging man am 20. Juni 1997. Die Eröffnung einer psychiatrischen Tagesklinik in Lebach erfolge am 27. November 1997. Im Folgejahr 1998 konnte man am 20. März das 150. Jubiläum des Einzuges der Borromäerinnen in Wallerfangen feiern.[65]
Aktuell betreibt die Stiftung ein Altenheim, ein Kinderheim, eine Fachklinik für Geriatrie sowie eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.[66] Die Sophienstiftung ist heute der größte Arbeitgeber in Wallerfangen.
Hospitalskapelle
Die am 1. Mai 1885 eingeweihte neoromanische Kapelle des Hospitals mit historistischer Innenausstattung besitzt vier Fensterachsen und ein Rundfenster im dreiseitig abgeschlossenen Chor. Eine Eingangshalle leitet in den Sakralraum ein. Darüber befindet sich eine Empore, die sich in einem Korbbogen zum Kapellenraum öffnet. Die Joche werden von Kreuzrippengewölben gebildet, die auf Diensten ruhen. Unterhalb der Dienste befinden sich in hochrechteckigen, ungerahmten Feldern die Reliefs eines Terrakotta-Kreuzweges. Die Reliefs sind farbig gefasst, jedoch hat ihre Fassung durch Übermalung und anschließende Freilegung gelitten. In der Hospitalskapelle hat sich eine reiche qualitätvolle Innenausmalung aus dem Jahr 1907 mit Darstellungen aus dem Marienleben erhalten.[67] Sie war in der "Purifizierungswelle" der Nachkriegszeit weiß überstrichen worden und konnte bei einer Restaurierung wieder freigelegt werden. Die Apsisteppichmalerei aus Kreuzmedaillons und der Marien-Initiale zeigt in Rahmen aus stehenden Vierpässen mit Spitzen eines Quadrates v. l. n. r. die Marienschule (die hl. Anna unterweist die kleine Maria), die Hochzeit von Maria und Josef, die Pietà-Szene (Maria hält den gekreuzigten Jesus auf ihrem Schoß), Mariä Verkündigung, die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem sowie die Himmelfahrt Mariens. In den Gewölben des Langhauses enthalten Spruchbänder marianische Anrufungen der Lauretanischen Litanei.
Die Sockelzone des Innenraumes ist holzvertäfelt. Ein großformatiges Ölgemälde von M. Villeroy aus den Jahren 1887/1888, das das Martyrium der Wallerfanger Pfarr- und ehemaligen Klosterpatronin Katharina von Alexandrien thematisiert, schmückt die Eingangswand der Hospitalkirche unterhalb der Empore. Der Hintergrund der dargestellten Szenen ist als Gewölk dargestellt und deutet so auf eine himmlische Sphäre hin. Rechts sieht man in dunklen, nonnenartigen Gewändern die sitzende heilige Katharina. Während sie sich mit dem linken Arm auf das Marterrad mit scharfen Klingen stützt und leidensverachtend auf es herunterzublicken scheint, reckt sie mit ihrer Rechten einen prunkvollen Kelch empor, über dem eine strahlende Hostie erscheint. Ein schmaler Nimbenreif schwebt als Zeichen der Heiligkeit über Katharinas Kopf. Die symbolträchtige Darstellung kann als Zeichen des Sieges der christlichen Werte über die gottlose Gewalt des Heidentums gedeutet werden. Zu Füßen der Heiligen hält ein schwebender Putto die Dornenkrone als Zeichen der Leidensnachfolge Christi durch Katharinas Martyrium.
In der Mitte und im linken Teil des Gemäldes tragen schwebende Engel mit großdimensionierten Flügeln, deren Körper nur von wallenden Stoffbahnen umschlungen sind, den leblosen Körper der zu Tode gemarterten Katharina. Der Leib der jugendlichen Heiligen ist mit rotem Stoff als Hinweis auf ihre blutige Hinrichtung umwickelt, ihr Handgelenke sind noch mit Stricken gefesselt. Um Katharinas Haupt strahlt ein goldfarbener Scheibennimbus. Die Szene stellt die Übertragung der sterblichen Hülle Katharinas durch Engel zum Berg Sinai dar.
Die vom Eingang aus gesehen ersten beiden Joche weisen in ihren Rundbogenfenstern eine schlichte Nachkriegsverglasung in gelblichen Farbtönen mit violetten Akzenten auf. Das erste Fenster links des Eingangs trägt die Inschrift "Heilige Familie". Zentral zeigt es das Christogramm als Symbol Jesu, zwei Lilien als Zeichen der Keuschheit Josefs und Mariens sowie eine Spindel als Hinweis auf die handarbeitliche Tätigkeit der Mutter Jesu und eine Axt als Hinweis auf den Zimmermannsberuf Josefs. Das folgende Fenster links des Eingangs enthält im Mittelpunkt einen goldenen Kronreif und darunter die lateinische Inschrift "humilitas" (dt. Demut), das Motto der Borromäerinnen. Im Zentrum des sich rechts vom Eingang befindenden Fensters steht die Inschrift "St. Nikolaus", darüber in Gold ein Bottich, eine Bischofsmitra und ein Krummstab als Symbole des heiligen Bischofs Nikolaus von Myra, der der Schutzpatron des Hospitals ist. Im Nachbarfenster verdeutlichen Weinranke, Brotkorb und Schenkkanne die karitative Haltung der heiligen Elisabeth von Thüringen, worauf auch die Inschrift "St. Elisabeth" hinweist.
In den nächsten beiden Joche zur Apsis hin hat sich die historistische Verglasung erhalten. Auf der vom Eingang gesehen rechten Seite ist die Verkündigung der Geburt Jesu durch den Erzengel Gabriel an Maria sowie die Heilige Familie dargestellt. Auf der vom Eingang gesehen linken Seite stellt der Künstler in zwei Fenstern die Wunderbare Brotvermehrung durch Jesus sowie die Hinwendung Jesu zu den Kindern dar. Alle dargestellten Szenen sind in romanisierende Rahmen gestellt, die in einer pittoresken Kuppeltürmchenarchitektur gipfeln.
Die Innenausstattung ist nicht mehr original. Bei der Restaurierung wurden historistische Altarteile aus anderen Kirchen neu positioniert. Der Zelebrationsaltar ist an seiner Vorderseite durch eine Bogengalerie mit vier Bögen auf fünf Pfeilern gegliedert. Der neoromanische Hochaltar zeigt im Altarstipes ein Relief mit der berühmten Mailänder Abendmahlsszene nach Leonardo da Vinci vom Ende des 15. Jahrhunderts im Refektorium des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie. Der Altaraufsatz ist dreiteilig gestaltet und zitiert Reliquienschreine der Romanik. Alle drei Nischen weisen Rahmungen mit Runddiensten auf. Der mittlere Teil enthält im unteren Bereich den Tabernakel mit zwei Flügeltüren. Darüber befindet sich eine hochrechteckige Expositoriumsnische für die Aufstellung des Altarkreuzes oder der Monstranz. Darüber erhebt sich in einem Rundbogen die Darstellung des apokalyptischen Lammes mit Siegesfahne. Die Archivolte ist mit Putten geschmückt. Ein weiterer Putto ist im Dreiecksfeld über dem Bogen positioniert, weitere Putten in den Zwickeln der Flankennischen. Die seitlichen Nischen bergen die Statuen des Hospitalpatrons Nikolaus von Myra (links) sowie der heiligen Elisabeth von Thüringen (rechts). Die Figuren der Altarnischen sowie eine weitere Marienfigur, die im Apsisbereich auf einem Podest aufgestellt wurde, sind neuzeitlich und dem historisierenden alpinen Kunstschnitzerwesen zuzuordnen.
Quelle: Wikipedia